Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht…
Ein altbekanntes Sprichwort, welches wir alle wohl kaum wirklich mit der Weihnachtszeit in Verbindung bringen. Doch wenn ich mich heute an Sie wende, so möchte ich diese vorweihnachtliche Botschaft dazu nutzen, Ihnen meine Gedanken und Gefühle zur aktuellen Situation offen und ehrlich darzulegen. Dies ist, so denke ich, eine sehr «weihnachtliche» Geste im Sinne Gottes. Wir sollten uns öfters einander öffnen und unsere wahren Gefühle gegenseitig mitzuteilen getrauen. Nur so geben wir dem Gegenüber jeweils eine wahre Chance zu reflektieren, was in uns vorgeht. Allzu oft ist unser miteinander Zusammenleben von gesellschaftlichen Normen und Zwängen bestimmt und wir glauben, einander etwas «vorspielen» zu müssen, nur damit wir in diese Normen hineinpassen. Doch die weihnachtliche Botschaft beinhaltet auch ein Ausbrechen aus diesen Normen und Konventionen, um etwas Neues zu wagen. In die Welt der Könige und Kriege wurde das Christkind geboren, um uns aus den gewohnten Bahnen zu locken und Werte wie Nächstenliebe und Verständnis der Menschheit zu lehren.
Ja, ich fühlte mich im vergangenen Jahr oft als Krug, der kurz vor dem Zerbrechen ist. Es ist eine enorme Herausforderung den Beruf als Arzt, den ich nach wie vor sehr schätzte und nicht missen möchte, in der heutigen hektischen Welt wirklich verantwortungsvoll nachzukommen und nicht einfach nur schnell und oberflächlich die Patienten abzufertigen. Zuhören, verstehen und sich einfühlen, um dann mit bestem Wissen und Gewissen Behandlungsstrategien vorzuschlagen, braucht Zeit. Sämtliche Berichte und Resultate von externen Untersuchungen mit in die ganzheitliche Betrachtung mit einzubeziehen, frisst regelmässig viele Stunden über Mittag, nach Feierabend und am Wochenende von meiner sonst schon spärlichen Freizeit weg. Wie oft mussten wir Rechnungen erklären für Aktenstudium, welche auf einen Sonntag fallen, und offensichtlich für einige fast nicht vorstellbar ist, dass selbst dann auch wirklich noch gearbeitet wird. Jedem Patienten, der oder die ein solches Pensum arbeitet, hätte ich wahrscheinlich schon längst geraten etwas zu reduzieren, da ansonsten es wohl eine Frage der Zeit ist, bis der Krug zerbricht und man anhand der Scherben nur noch seine ehemalige Schönheit und Funktion erahnen kann. Selbst ein geflickter Krug, wird wohl nie mehr gleich stabil sein können.
Etwas zu reduzieren, ist aber in meiner Situation nicht ganz einfach. Jede Einzelne von Ihnen hat berechtigte medizinische Anliegen und entweder ich nehme mir für alle weniger Zeit in Zukunft, oder aber ich kann weniger von Patienten betreuen. Viele denken, dass ich doch mehr Personal, allenfalls sogar einen zusätzlichen Arzt/Ärztin anstellen sollte. Dies ist leider, im Rahmen des Fachkräftemangel, nicht ganz so einfach. Und tatsächlich braucht es qualitativ hochwertiges Personal, da ansonsten, wenn ich sicher sein will, dass die erbrachten Leistungen auch meinen Erwartungen entsprechen, das bestehende kleine Team doch alles wieder nachkontrollieren und aufarbeiten muss, was schliesslich sogar noch mehr Arbeit für uns bedeuten würde. Alles schon mehrfach erlebt.
Somit bin ich für unsere eigene Gesundheit zum Schluss gekommen, dass für mich die einzig sinnvolle Lösung durch häufigere und längere Erholungsphasen, sprich Ferienabwesenheiten, in Zukunft umgesetzt werden muss, damit nicht bald nur ein Scherbenhaufen von mir übrigbleibt, welcher niemanden mehr wirklich nützlich sein würde. Wir werden aller Voraussicht nach ab 2026 dem langen gehegten Traum etappenweise nachkommen und die Welt in Etappen von 1-2 Monaten am Stück umsegeln. Zwischen den einzelnen Etappen werden wir mit frischer Energie gerne jeweils für Sie für ca. 1-3 Monate wieder vor Ort in Jona geöffnet sein und die Sprechstunde in der üblichen Art sehr gerne weiterführen. Die Abwesenheiten werden möglichst früh, meist für das ganze Jahr im Voraus, bekannt gegeben, so dass viele medizinische Termine weit im Voraus eingeplant werden können. Für dringliche Angelegenheiten während unseren Ferien wird die Permanence, wie auch in den vergangenen 2.5 Jahren schon, unsere Vertretung übernehmen. Nicht dringliche Angelegenheiten können, wie auch schon bisher, gerne auch per E-Mail geschildert werden.
Jetzt ist es an Ihnen zu überlegen, wie und ob Sie auf diese Botschaft reagieren möchten. Wenn für einige von Ihnen dies so nicht mehr stimmen sollte und Sie der Überzeugung sind, dass durch die vermehrten Abwesenheiten ich Ihnen als Arzt nicht mehr gerecht werden kann, so können Sie dies ungeniert mitteilen. Ich bin niemanden böse oder nachtragend, wenn man den Arzt wechseln möchte, doch freue ich mich natürlich über jeden und jede von Ihnen, welche nach wie vor sich gerne von mir hausärztlich, osteopathisch-manual-medizinisch, sportmedizinisch und fachärztlich rheumatologisch-rehabilitativ betreuen lassen mag. Denn in der Zeit, in der ich da bin, werde ich wie gewohnt mir grösste Mühe geben ihnen so gut wie möglich zuzuhören und alle Fakten und Hintergründe in ein Behandlungskonzept mit einzubeziehen.
Nun, da Sie mir «schriftlich» zugehört haben und ich meine Gefühle offen geäussert habe, bitte ich Sie die Weihnachtszeit zu nutzen, um auch anderen Menschen mit Offenheit und Ehrlichkeit entgegenzutreten. Vertrauen Sie einander an, wie es ihnen geht und was Sie fühlen und spüren. Hören Sie einander zu und versuchen Sie einander zu verstehen, damit wir möglichst eine Welt rund um uns gestalten können, in der echte Gefühle und Empathie wieder Platz haben, was der Grundstein für ein friedliches Miteinander in einer nicht nur leistungsorientierten Gesellschaft sein sollte.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine frohe Adventzeit und schliesslich frohe Feiertage und möge das kommende Jahr uns allen Friede und Gesundheit bringen.
Gott segne uns alle.
Dr. med. Matthias Keller
Adventszeit 2025